Verborgene Geheimnisse, die unerkannt ihr Dasein in tiefen Windungen fristen, Atem stocken lassen, im Dunklen bleiben müssen, um weiter funktionieren zu können, Herzen lähmen oder Beziehungen kitten, weil ihr aussprechen private Welten verändern würde, weil wir in einem Konstrukt leben, von dem wir alle glauben, es sei real, ehrlich, in dem wir alle davon ausgehen, dass jeder die Wahrheit sagt, uns eingeschlossen, obwohl jeder seine Leichen im Keller kennt.
Geheimnisse, die keine mehr sind, weil sie längst von anderen verraten oder erkannt wurden, und es wieder ein Geheimnis ist, dieses Wissen für sich zu behalten. Wie heißt das eigentlich, wenn alle heimlich das Ungesagte teilen? Das ist doch kein Geheimnis mehr. Dafür braucht man ein neues Wort..
Einen lebendigen Ort, an dem man sein geschütztes, stilles Inneres an den Schirmständer des schlechten, oder guten Gewissens mal abhängen darf, um es nicht pausenlos, allein, mit sich tragen zu müssen, hat Frank Warren erschaffen. Auf seiner Website postsecret.com veröffentlicht er von den Einsendern selbst gestaltete Postkarten und emails, auf denen sie ihre persönlichen Geheimnisse mitteilen. Einzige Bedingung: Der Beitrag muss anonym und wahr sein. Unter allen Schriften wählt er jeden Sonntag 20 aus und stellt sie ins Netz. So vielfältig die Karten aussehen, so unterschiedlich sind die bizarren, teils lustigen und auch traurigen Botschaften, die sie tragen. „Ich bin in Kontakt mit der Lieblings-Prostituierten meines Mannes, um zu wissen, was ihm gefällt. Er weis nichts davon.“ Oder „Ich bin ein professioneller Photogragh und ich hab keine Ahnung, was F-stops, ISO und das ganze Zeug ist.“ Einer meiner Liebsten: „ Wenn ich Sitcoms sehe, gucke ich immer auf Extras/Kleinigkeiten bei Szenen in der Menge statt auf die Schauspieler. Ich kann nicht damit aufhören.“
Weil Geheimnisse so nah an uns dran sind, lässt es sich wahrscheinlich muttersprachlich besser beichten. Glücklicherweise gibt es eine deutsche Adaption von Sebastian, Nachname ein, genau, Geheimnis, jedenfalls mit der Erlaubnis des amerikanischen Ober-Beichtvaters.
Eine schöne Performance, ein sexbefreiter Voyeurismus und unter Umständen tatsächlich auch eine Erleichterung. Und wahrscheinlich habt ihr nicht gewusst, dass ich… Ach nein, dass ist wohl doch nicht der richtige Ort hier für Seelen-Striptease..