Es ist Sonntag. Ich bin endlich wieder im Bits und Bytes Strom, das Internet meiner neuen Wohnung läuft. Das Wetter in Münster mag mich nicht, das beruht auf Gegenseitigkeit, ich es auch nicht. Also surfe ich: mit Google Earth nach Fidschi, Angkor Wat in Kambodscha, Kaua’i/ Hawai. Je mehr die Vorstellung der Realität weicht, desto mehr Farbe will ich. Noch bunter, kitschiger, mehr von dem zarten Schmerz in meinen Adern, Sehnsucht nach einem Ort der, ja, was eigentlich verspricht? Was ist Bunter, besser als die Realität? Bücher zum Beispiel. Zitat aus „Love Song For Bobby Long“: „Du lebst da irgendwo in ner Phantasiewelt, wo das Leben ein Buch ist, und niemand der verdammte Autor sein will, dabei weis jeder Idiot, dass Bücher besser sind als das Leben. Darum sind es ja Bücher.“ Ok, das wäre bewiesen. Bücher sind die bessere Welt. Was noch?
Kunst fällt mir ein. Peter Doig wird grad in der Frankfurter Schirn ausgestellt, größtenteils Landschaftsmalerei, will ich unbedingt nächsten Monat hin. Kontrast dazu ein paar malträtierte Kinderköpfe, deren Münder durch Spangen und rosige Narben grauenhaft entstellt sind, aber gleichzeitig durch ihre höhnischen, Fratzen schneidenden Grimassen Ungehorsam, Widerstand, Aufruhr. Kindliche Autonomie, die in die verstummte Erwachsenenwelt schreit- Gottfried Helnwein at it’s best. Neu gefunden hab ich Nick Veasey. Künstler aus Kent/England, der mit seinem Röntgenapparat aus den 50ern alles durchleuchtet, was ihm unter den Strahl kommt. Tiere, Pflanzen, Dinge des Alltags oder schweres Gerät, „Ich reise unter die Oberflächen“ sagte er in einem Interview, der abgebildete Caterpillar ist nur eines des sehenswerten Highlights seines Schaffens. Die Personen in Staffage leben übrigens nicht mehr, wenn sie samt X-Ray festgehalten werden, es sind Tote, Lebenden würde die Strahlung den Rest geben. Schon zweimal, so Veasey, sei er in seinem Atelier, einem alten Militärstützpunkt, verstrahlt worden, was seine eigenen Aussichten nicht rosiger macht. Die Aufnahmen jedenfalls sind beeindruckend.
Oh ja, ich fühl mich merklich bunter, lebendiger. Auch durch die Musik im Hintergrund: James Mraz unterbricht meine Kuba-Phase und verbindet im Klangteppich das Grau draußen mit dem orgastischen Farbenspielen hier drin.
Je gemütlicher es hier wird, desto zickiger wird das Wetter. Tja, Pech gehabt. Mit der Laune musst du leider draußen bleiben.
Einen schönen Sonntag!
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Peter Doig- Schirn Kunsthalle