Ich habe mich nach Uli`s Beitrag zur Bewerbung 2.0 an ein Interview mit Prof.Dr. Peter Kruse erinnert, dass ich irgendwann auf Youtube gesehen habe. Er läutet darin das Ende des gesamten web 2.0 ein und seiner Argumentation kann ich bei allem Gehirnschmalz nichts entgegensetzen. Vielleicht fällt euren kritischen Geistern mehr ein.
Die Reise beginnt mit der Frage, ob und was eine Firma und ein soziales Gehirn gemeinsam haben und inwieweit daraus Intelligenz entsteht. Ein intelligentes System ist lebendig und expandiert, es lernt.
Jedes System braucht nach Kruse drei Komponenten, um lebendig zu bleiben (ein nicht lebendiger Organismus ist tot, ein Unternehmen pleite).
- Vernetzung: Ein System wird dann intelligenter, wenn sich die Vernetzungsdichte erhöht. Logisch: mehr Synapsen oder Kontakte.
- Erregung: ohne Erregung keine Aufmerksamkeit, ohne Aufmerksamkeit keine Frage, ohne Frage kein kritisches auseinander setzen, dadurch kein Hinterfragen, Grenzen überschreiten, Innovation und, wieder, lernen.
- Bewertung: Ohne Bewertung bleibt ein System beliebig, kein qualitatives Urteil ist möglich, also auch keine Verbesserung.
Ok. Weiter. Das Internet ist wohl die maximalste Vernetzung der Welt. Auch Erregung ist da, das Netz generiert ständig neue Hipes (vor allem im Sommerloch oder die künstliche Bekanntheit von Leuten mit 100.000 myspace- Feunden). Und die Bewertung? Gerade im web 2.0 (Benutzer erstellen und bearbeiten Inhalte in quantitativ und qualitativ entscheidendem Maße selbst) bleibt die Bewertung, nach Kruse, trivial. Durch unsere Bewertungsmuster, die kulturell geprägt sind (wir können aus dem System heraus nicht reflektieren, weil wir Teil sind), der Mehrdeutigkeit von Sprache und dem Konstruktivismus, aus dem heraus jeder nach Erfahrungen sein eigenes Weltbild konstruiert hat, sei der Zenit des web 2.0 schon überschritten. Zum Einzelnen, mit gewisser Intimität, mag die Bewertung noch gelingen, doch über ein einfaches „gefällt mir/ gefällt mir nicht“ kommt das web 2.0 nicht hinaus. Denn was ist ohne Bewertung bedeutungsvoll, was hat Nährwert. Masse ohne Qualität erstickt unter sich selbst. Und da die Qualitätssicherung dieses großen Systems nicht möglich ist, bliebe nur, die Trivialität anzunehmen oder Exclusivität zu schaffen, was de facto schon geschehe. Teilnetzwerke entstehen immer mehr, weg vom Großen. Und ein exclusives web ist eben kein web mehr.
Das ganze Interview in Youtube-Häppchen ist eine der geistreichsten Darstellungen von dem, was hinter Business, Management, Führung, Dynamiken in komplexen Systemen und Netzwerken steht, die ich in vielen Jahren Austausch und eigener Geschäftsführung gehört habe. Brilliant.
Also: sind wir am Anfang oder beginnendem Ende des web 2.0?
Peter Kruse: Vernetzung, Erregung, Bewertung
Peter Kruse: web 2.0 zwischen Teilnetzen und Titanenaufgabe