Florian geht in die 11. Klasse auf einem Berufskolleg und macht was in Richtung Kaufmann. Für seinen Deutschunterricht sollte er eine Bewerbungsmappe erstellen und bat mich, ihm zu helfen. Als Anschauungsmaterial habe ich ihm einige grausige Beispiele aus den Ergopraxen mitgebracht, noch schlimmer war dann allerdings, was ihm seine Lehrerin mitgegeben hatte: Nämlich den Rat, unbedingt ein Deckblatt und eine dritte Seite mitzuliefern. „Das ist eine Erfindung von Hesse und Schrader, die das als Highlight in Ihren Bewerbungsbüchern verkaufen und es aus den USA geklaut haben. Totaler Schwachsinn und neben der Papierverschwendung auch noch psychologisch verschenkt“, erwiderte ich. „Denn Erstens soll die dritte Seite in Übersee für mehr Profil des Bewerbers sorgen, weil dort wegen der Antidiskriminierungsgesetze keine Fotos mit im Lebenslauf sein dürfen. Was soll das hier? Wer sich nicht im Anschreiben darstellen konnte, massakriert sich wahrscheinlich gänzlich im „Motivationsschreiben“. Ich denke, jemand weis, warum er wo arbeiten will, seine Möglichkeiten entnehme ich aus dem Anschreiben und seinem Lebenslauf. Und zu mehr, Frau Lehrerin, habe ich weder Lust noch Zeit. Sonst würde ich auch noch was geistreiches in das beigelegte Poesiealbum schreiben. Auch eine Idee von Ihnen? Ich soll mir also eine Persönlichkeit selbst zusammen basteln? Danke, gern, genug halbseidenes Material zum Interpretieren haben sie mir ja geliefert! Da greife ich doch lieber in Ihre Seiten: Sie begehen aufgrund angelesener und nicht Praxis bezogener Tipps einen Bewerber-Genozid. Ich verstehe, dass zwischen Abitur, Studium und Schuldienst nicht viel Zeit und Möglichkeit war, seinen Marktwert zu studieren und tatsächlich eine! Bewerbung zu schreiben. Oder vielleicht taten Sie`s nach Ihren Methoden, kamen nicht an und stießen deshalb diesen weg ein. Wie auch immer, lehren und lernen Sie! Gehen Sie mal zu einer Job-Messe, Career Center, etc pp und Fragen jemanden vom Fach, wie diese Unterlagen gelesen werden. Zweitens (damit hatte ich weiter oben angefangen) sollte das Bewerbungsfoto auf die erste Seite des Lebenslaufes. So bleiben die Daten, verknüpft mit einem Gesicht, besser im Gedächtnis. Sie werden mehr wahrgenommen. Deckblätter, das sagt der Name schon, decken nur ab und werden sofort zur Seite gelegt, um ans Wesentliche zu kommen.
Bewerbung, vom Stellensuchen, über die Unterlagen schreiben und gestalten bis zum Vorstellungsgespräch, ist einfach zu wichtig, um sie von Dilettanten machen zu lassen.
Und die Geschichte zeigt auch, als wie nebensächlich das Thema in der Schulbildung angesehen wird.