Beim Vorstellungsgespräch mit dem Massband um den Kopf als nicht geeignet zu gelten, weil die Furche auf der Stirn einen chaotischen Charakter orakelt?
Das Grauen hat noch kein Ende. Zweiter Teil der kleinen Sammlung von Horrormethoden der Personalauswahl.
Phrenologie
Theorie
Durch die Kopfform lassen sich Schlüsse über Größe und Funktion der Hirnorgane ziehen.
Vermisst man den Schädel, lassen sich somit Rückschlüsse auf die psychischen Besonderheiten eines jeden Menschen machen.
An sich kein dummer Gedanke, den der Arzt Franz Josef Gall zu Beginn des 19. Jhdts hatte: Charakter und Intelligenz sah er als Zusammenspiel von verschiedenen Organen im Kopf, die alle eine besondere Aufgabe hätten und durch ihre Form, Größe und Lage zueinander den Charakter einer Person bestimmten. Praktischerweise prägen die Organe die Form des Schädels, weil sie unterschiedlich viel Raum brauchen. Und das kann man von außen messen und so Aussagen treffen. In Galls Originalversion der Lehre gab es 27 verschiedene „Organe“, die sich nach außen als Felder (für das Auge sichtbare Ausdehnungen) darstellen.
So fand er das Organ der Zeugungsenergie, der Anhänglichkeit an Kinder, der Gelehrigkeit, der Fähigkeit, Personen wieder zu erkennen u. zu unterscheiden, eigener Beobachtung, der Sanftmut oder etwa Gutmütigkeit. Aber auch die Orte von Rauflust, Grausamkeit, List, Dieberei oder Eitelkeit.
Die „phrenologische Gesellschaft“ gab an, schon die Talente und Fähigkeiten eines Sechsjährigen bestimmen und damit quasi die Zukunft vorhersagen zu können.
Der Gedanke der Phrenologie war der Anfang der modernen Neurowissenschaften, weil er sagte, dass die Funktion des Gehirn auf differenten, speziellen Teilen gründet. ABER es zeichnen sich keine Hirnstrukturen durch die Schädeldecke ab. Auch hat die Größe von Hirnarealen nichts mit deren Leistung zu tun. Quantität ist nicht gleich Qualität. Gall war der Meinung, dass das geringere Gewicht des Frauenhirns Indikator für Minderintelligenz sei.
Eine völlig haltlose Theorie und null praktikabel zur Personalauswahl.
Graphologie
Theorie
Anhand des Schriftbildes soll auf Charaktereigenschaften, psychische Erkrankungen, physische Konstitution, Details des Lebensweges und Prognosen eines Bewrbers geschlossen werden.
Graphologische Gutachten kommen gelegentlich noch vor (ländliches Familienunternehmen mit Patriachem am Tischende, der HR für die Abkürzung von HustenReiz hält). Nach allgemeiner Studienlage gibt die Deutung der Handschrift keinen Aufschluss über die Persönlichkeit und lässt auch keine Prognose über berufliche Leistung zu. Bisher gelang nicht, den Nutzen der Graphologie wissenschaftlich zu belegen, weder gibt es eine plausible Theorie noch Belege für die Wirksamkeit. Keine Gütekriterien werden eingehalten. Schlimmer noch, die Ergebnisse sind niederschmetternd. Absolut invalides Instrument.
Ich kenne eine Mathematikerin, die bei einem Einstellungstest vor ca. acht Jahren einen handschriftlichen Lebenslauf abgeben sollte und durch Kontakte zur Personalabteilung Jahre später festgestellt hat, dass ihre Unterlagen zu einem Graphologen gegangen sind und eine vernichtende Zukunftsprognose gegeben wurde. Den Job hatte sie nicht bekommen. Besagte Bekannte ist mittlerweile Unternehmerin mit 50 Angestellten..
Namenspsychologie
Theorie
Die Namenspsychologie basiert auf dem kabbalistischen Zahlenschlüssel zum hebräischen Alphabet, dessen 22 Buchstaben Zahlen zugeordnet sind, die spezifische Energien repräsentieren.
Angelika Hoefler hat in 10jähriger Forschungsarbeit ein Verfahren entwickelt, das zeigt, welche Kräfte den individuellen Charakter eines Menschen bilden und wie diese optimal genutzt werden können. Ziel ist, die Berechnung der in einem Namen (und seinem Träger) verborgenen Kräfte und diese optimal zu Nutzung.
Ich bin ein spiritueller Mensch. Ich kenne andere und bessere Wege der Psychotherapie, wie z.B. Familienstellen und bin mit Neuerer Homöopathie vertraut. Ich glaube an Informationsmedizin und Selbstheilungskräfte, an holistische Theorien und phänomenologische Psychologie. Ich bin fit in Statistik und würde gern auf die verwiesenen 15000 Analysen von Frau Hoefler sehen. Mit der Namenspsychologie komm ich wirklich ins Schwanken..
War das nicht gruselig? Ich fand’s jedenfalls spannend mal in die Anfänge der Personalauswahl zu blicken und welche Weltbilder hinter den Theorien standen. Und in 3% der Unternehmen, die teilweise auf solche Hilfsmittel greifen, offensichtlich noch stehen. Bei jeder Form der Personalauswahl geht es drum, den Richtigen, und nicht den Besten Bewerber zu finden. Und das spricht für beide Seiten- schließlich wollen Sie sich auf in dem Unternehmen wohl fühlen. Aber bei so hanebüchen Methoden sollten Sie wachsam sein. Wer weis, was da noch für Überzeugungen hinterstecken..?